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Betreuung einzelner Kinder durch Einzelintegrationsmaßnahmen:

Unsere integrative Arbeit im Kindergarten Sonnenblume

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

dieses Mal möchten wir Ihnen gern unsere integrative Arbeit vorstellen. Schon seit einiger Zeit werden immer wieder einzelne Kinder durch Einzelintegrationsmaßnahmen betreut. Im Moment sind es zwei Kinder in der Blumengruppe. Was bedeutet so eine Maßnahme für alle Beteiligten? Wir wollen versuchen, Ihnen diesen Teil unserer Arbeit ein bisschen näher zu bringen.

Damit unsere Aussagen einen aktuellen und konkreten Bezug haben, ist die Basis dieses Artikels ein Elternbrief an die Blumenkindereltern zu unserem Projekt „Frau Holle“.

Darin eingefügt haben wir, in kursiv gedruckt, den Part der Mitarbeiterin der Schneiderschere.

Haben sie früher gern Märchen gehört? Dann kennen Sie sicher die Goldmarie und die Pechmarie. Die Blumengruppe des Kindergartens „Sonnenblume“ befindet sich zur Zeit im Märchenland. Wir erlebten in den letzten Wochen gemeinsam das Märchen „Frau Holle“. Ganz schnell haben wir festgestellt, dass wir bei diesem Projekt bei den Kindern genau ins „Schwarze“ getroffen haben. Sie forderten förmlich jeden Morgen ein, das Märchen vorgelesen zu bekommen. Dazu kuschelten sie sich auf Kissen rund um unsere „Märchenmitte“, die wir mit einem Spinnrad, einem Federkissen, Gold und Pech dekoriert hatten. Durch das oft vorgelesene Märchen war es zudem nicht verwunderlich, dass die Kinder schon bald markante Textstellen mitsprechen konnten.

Märchen sind in unserer hektischen und schnelllebigen Zeit ein guter Ausgleich. Sie schaffen Inseln der Ruhe. Die Kinder können sich durch Bilder verzaubern lassen und dabei zu sich selbst finden. Märchen können stark machen und zu einer gesunden geistigen und seelischen Entwicklung beitragen. Doch wie setzen wir diese Aspekte in die Praxis um? Gemeinsam mit Frau Zapp überlegten wir, das Märchen mit den Kindern nachzuspielen. Und da Frau Zapp dies schon gemacht und damit Erfahrungen gesammelt hatte, übernahm sie die erste Theatervorstellung.

Das gibt mir an dieser Stelle die Gelegenheit, mich bei Ihnen vorzustellen. Mein Name ist Nicole Zapp und ich bin von Beruf Diplom-Pädagogin mit Schwerpunkt Heilpädagogik. Ich bin in der Beratungsstelle für Integration der Schneiderschere gGmbH in Mölln angestellt und führe hier im Kindergarten Sonnenblume Einzelintegrationsmaßnahmen durch. Die Beratungsstelle für Integration ist Teil der Mobilen Dienste der Schneiderschere, und diese wiederum gehört zum Lebenshilfewerk-Verbund Mölln-Hagenow. Unser Verbund beinhaltet Werkstätten, Wohnstätten, Tagesförderstätten und Pflege- und Fördereinrichtungen im Kreis Herzogtum Lauenburg und in Mecklenburg Vorpommern -  für Menschen mit Behinderungen. Dazu gehören auch die drei integrativen Kindergärten (den „Zauberwald“ in Wentorf kennen Sie vielleicht), der Erlebniseinkauf Kneese in Geesthacht, der Archehof in Kneese und die zuvor genannten Mobilen Dienste, bestehend aus der Pädagogischen Frühförderung, dem Familienentlastenden Dienst, dem Ambulant Betreuten Wohnen und eben der Beratungsstelle für Integration. Die Aufgabe der Beratungsstelle ist es, in Kindergärten, in denen es keine eigene Integrationsgruppe gibt, Einzelintegrationen durchzuführen und die Erzieherinnen mit der heilpädagogischen Arbeit zu unterstützen, aber auch beratend tätig zu sein. Ganz konkret und kurz beschrieben beinhaltet es eine Entwicklungsbegleitung von Kindern in unterschiedlichen Bereichen. Meine Arbeit ist jeweils an die Kinder gebunden, für die ein heilpädagogischer Förderbedarf vom Fachdienst für Eingliederung festgestellt ist. Ist dies gegeben, kauft der Träger des Kindergartens (hier in Kröppelshagen ist das die Gemeinde) die Dienstleitung der Schneiderschere ein, die wiederum eine/n MitarbeiterIn – in diesem Falle mich – stellt. Seit September 2007 unterstütze ich die Erzieherinnen im Kindergarten Sonnenblume. Zurzeit betreue ich dort zwei Kinder. Das bedeutet, dass ich  wöchentlich an zwei Tagen im Kindergarten anzutreffen bin.  Jedes Kind in einer Einzelintegrationsmaßnahme erhält einen Tag pro Woche die Entwicklungsförderung. Wie das aussehen kann, möchte ich Ihnen in diesem Artikel gerne ein bisschen näher bringen.

Uns Erzieherinnen war besonders wichtig, dass jedes Kind, seinem Können und seinen Wünschen entsprechend, in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen kann. Sie sollten die Erfahrung machen, nicht nur „schöne“ Rollen zu gestalten und zu erleben, sondern sich z.B. auch einmal in die Rolle der Pechmarie hinein zu versetzen. Die eine Schwester meistert schwierige Situationen mit Fleiß und gutem Willen und hat am Ende nicht nur an Selbstbewusstsein, sondern auch an Reichtum gewonnen. Die Andere hingegen ist nicht bereit sich anzustrengen und wird dabei auch noch von Habgier geleitet. Im Rollenspiel erleben und erfühlen die Kinder die unterschiedlichen Lebenseinstellungen der beiden Mädchen und was dadurch mit ihnen geschieht. Es ist naheliegend, dass sich die Kinder dabei Gedanken über sich und ihre eigene Familie machen.

Meine Aufgabe ist während solcher Einheiten, die Bedürfnisse besonders der Einzelintegrationskinder im Auge zu behalten, die über das normale Gruppengeschehen hinaus gehen. Fragen, die ich mir innerhalb eines solchen Projektes dann stelle, sind z. B.:  Wo sollte vielleicht besonders die momentane Stärke eines bestimmten Kindes einmal deutlich hervorgehoben werden. Oder wo kann man in dieses Märchen einen kürzlich gewesenen Streit zwischen Kindern einfließen und klären lassen. Wo kann z. B. die Sprache besonders gefördert werden, oder wo die Wahrnehmung mit einem bestimmten Körpersinn. Wo können Kinder gezielt zum miteinander Spielen angeregt werden, damit sich ganz im Sinne der Integration vielleicht eine kleine Freundschaft ergibt. Ich habe bei diesen Überlegungen immer den Vorteil, dass ich von außen schaue und nicht, wie die Erzieherinnen, die ganze Gruppe im Blick behalten muss. Deshalb ergänzen wir uns sehr gut. Zusätzlich zu dieser Begleitung der Kinder in Projekten und im normalen Gruppenalltag biete ich Einheiten zur Förderung in verschiedenen Bereichen an. Das können Angebote im Bereich Motorik, Konzentration, Wahrnehmung, Hören, Sprache, Soziales Miteinander wie Konfliktlösung, Selbstbewusstsein, flexibles Denken und vieles mehr sein. Dabei versuche ich auch in diesen Einheiten, das jeweilige Projekt aufzugreifen. Bei „Frau Holle“ konnte ich z. B. den Wahrnehmungsaspekt leicht durch das Herstellen von Schneeflocken-Bildern einbringen. Zum Tupfen der Flocken nahmen wir unsere Finger und Fingerfarbe. Obwohl meine Arbeit, wie zuvor erwähnt, auf die Kinder mit heilpädagogischem Förderbedarf ausgerichtet ist, sind die  Angebote auch für die anderen Kinder offen. Gern arbeite ich in Kleingruppen mit abwechselnder Besetzung. Schließlich geht es um Integration und Inklusion, und die funktioniert nie mit nur einem Kind alleine! Die Kinder hier im Kindergarten  passen sehr auf, dass ich nicht nur die Integrationskinder im Blick habe. Es kommt nicht selten vor, dass eines der Blumenkinder morgens zu mir kommt und sagt: „Heute bin ich mal dran. Heute bin ich mal bei Dir angemeldet!“ Wer kann dazu schon Nein sagen?! In das Theaterspielen konnte man wirklich eine Menge heilpädagogischer Aspekte einbringen. Besonders wichtig fand ich, dass Kinder sich Inhalte am Besten verinnerlichen, wenn sie sie mit allen Sinnen und dem ganzen Körper buchstäblich be-greifen. Der Text und die Auswirkungen der Handlung von „Goldmarie“ und „Pechmarie“ bleibt von allein im Gedächtnis, wenn ein Kind z. B. als Apfelbaum beim Rütteln und Schütteln erleichtert seine schweren Äpfel fallen lässt oder zwei Kinder als Brote unter dem Tisch (unser Ofen) hervorgezogen werden, weil sie sonst „verbrennen“. Als ein Kind als Hahn stolz vom Stuhl herunter rief „Kikeriki, Kikeriki, unsere fleißige Jungfrau ist wieder hie!“ gab es spontan Szenenapplaus!

Genau das wollten wir erreichen: dass sich vor allem die jüngeren Kinder im Erzählen üben, sich trauen vor der Gruppe zu sprechen und das bewusste Zuhören entdecken! Einen großen Anteil unseres Projektes hatte der Bildungsbereich Sprache und untergeordnet das Rollen- und Theaterspiel. Aber auch der kreative Bereich, die Natur und das Soziale Miteinander spielten eine große Rolle. So gestalteten die jüngeren Kinder ein Gemeinschaftsbild mit den Figuren und anderen Dingen des Märchens. Die Schulmäuse malten verschiedene Bilder zum Märchen unter anderem mit selbst hergestellter Zuckerkreide. Gemeinsam mit allen Kindern verkosteten wir acht verschiedene Apfelsorten. Im Abstimmungsverfahren ging abschließend der „Golden Delicious“ als Gruppensieger hervor. Einen Kochtag nutzten wir, um draußen in unserem Holzbackofen Brot zu backen, welches wir natürlich ganz wie die Goldmarie nicht verbrennen ließen. Vergrößerte Buchillustrationen regten zum Nacherzählen und zur Bildbetrachtung an. In der Halle bauten wir einen „Goldmarie-Parcours“ auf, der durchlaufen werden musste. Musikalisch arbeiteten wir lange Zeit an einem Lied über „Frau Holle“. Dieses Lied hat sehr viele Strophen und eine schwierige Melodie. Aber das Singen machte allen großen Spaß. Durch fleißiges Üben konnten die Kinder es bald ohne Hilfe in verteilten Rollen singen. In der Freispielzeit standen den Kindern Ausmabilder von Frau Holle zur Verfügung und ab und an gab es zum Verwöhnen eine geführte Entspannungseinheit. Dieses ganzheitliche Arbeiten ermöglicht den Kindern eine intensive Auseinandersetzung mit dem Märchen und mit sich selbst.

Deshalb arbeite ich so gerne mit den Erzieherinnen des Kindergartens Sonnenblume zusammen. Ihre ganzheitliche Arbeit berücksichtigt immer das ganze Kind und es hat für alle Kinder Platz. Hier wird jeder so einbezogen und gefördert, wie es ihm entspricht. Das ist gelebte Integration. Es gehört hier im Kindergarten  selbstverständlich dazu. Und weil auch ich vom ersten Tag an ganz selbstverständlich ins Team aufgenommen und integriert worden bin, macht es meine Arbeit so leicht. Alle Facetten werden akzeptiert. Meine Ideen und Gedanken zu den Entwicklungsschritten der  Integrationskinder werden gehört und umgesetzt. Meine Unterstützung der Kinder im Gruppenalltag wird geschätzt und die Entwicklungsgespräche, Auswertungen und Vorbereitungen mit den Erzieherinnen als Bereicherung empfunden. Zu meiner Arbeit gehört des Weiteren die Beratung von Eltern: einmal der Eltern der Integrationskinder, aber auch aller anderen Eltern von Kindergartenkindern. Für diese gilt ebenso das Angebot, mich in Entwicklungsfragen zu Rate zu ziehen. Dies wird im Kindergarten Sonnenblume gern genutzt. Was mag ich an meiner Arbeit am liebsten? Dass sich in der Arbeit mit so vielen tollen Kindern von selbst Impulse ergeben, durch die sich eine Eigendynamik entwickelt, die sich selbst trägt. Es ist immer wieder eine Freude, die großen Potenziale und Stärken der Kinder zu entdecken. Ich bin ein Wegbegleiter. Ich versuche auch mal Möglichkeiten anzubieten, die vielleicht nicht als erstes ins Auge gesprungen sind. Gemeinsam auf Entdeckung zu gehen – das mag ich an meinem Beruf am liebsten!

Für mich als Erzieherin bedeutet die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle für Integration: neue Wege gehen, eigene Arbeitsansichten und Denkweisen aus anderen Blickwinkeln betrachten und vor allem auch fachliche Bereiche-rung auf vielen Gebieten. Dies betrifft sowohl  die  pädagogische Arbeit für die gesamte Gruppe, als auch die individuelle Begleitung jedes einzelnen Kindes. Regelmäßig, mindestens aber einmal pro Woche, treffen Frau Zapp und ich uns nach dem Mittagessen zum gemeinsamen Austausch. Wir gleichen ab, wie die letzten Tage verlaufen sind, welche inhaltliche und pädagogische Arbeit passiert ist und wie sich unsere Integrationskinder entwickelt haben. Darauf basierend überlegen wir uns das Vorgehen für die kommenden Tage und legen neue Schwerpunkte fest. Integration bedeutet auch ständige Überprüfung des aktuellen Entwicklungsstandes der Kinder, welcher regelmäßig in Teilhabe- und Förderplänen festgeschrieben werden muss. Diese sind dann wiederum Arbeitsgrundlage für alle Beteiligen; also den Kindergarten, Frau Zapp und natürlich für die Eltern. In unseren Gesprächen ist aber auch immer Zeit und Raum für Fragen, die andere Kinder betreffen. Eigene Gedanken werden bestätigt oder im gemeinsamen Gespräch weiterentwickelt und konkretisiert. Somit profitieren nicht nur die Kinder der Einzelintegrationsmaßnahme, sondern wir alle von der tollen und fruchtbringenden Zusammenarbeit. Es ist so motivierend zu spüren, wie wir auf der gleichen Wellenlänge liegen, wie es Spaß macht, an Ideen und Gedanken zu arbeiten und so lange daran herum zu feilen, bis wir glauben, die optimalste Lösung gefunden zu haben. Uns eint der gemeinsame Wunsch, jedes Kind dort abzuholen wo es gerade steht und seinem eigenen Entwicklungsstand entsprechend zu fördern.

Natürlich nehmen all diese Dinge sehr viel Zeit in Anspruch, zudem auch noch regelmäßig bürokratische Sachen erledigt werden müssen. Meine Kolleginnen sorgen immer dafür, dass ich für all diese Dinge genügend Zeit habe. Auch das ist Teil der Integration.

Wir sind sehr froh, dass es die Möglichkeit gibt, Einzelintegration in unserem Kindergarten an zu bieten.

 Antje Aderhold, Leiterin des Kindergartens Sonnenblume in Kröppelshagen

Nicole Zapp ist Mitarbeiterin der Schneiderschere-Beratungsstelle für Integration, Grambeker Weg 111, 23879 Mölln, Tel. 04542/84670